Ist die Bibel ein Märchenbuch?


Es muss einfach gesagt werden: Das naturwissenschaftliche Weltbild der Bibel ist wissenschaftlich veraltet! Man mag die Aussagen von Genesis noch so verbiegen. Ja, vielleicht meinten die Autoren tatsächlich Gene oder Atome als sie von Staub sprachen, aus dem der Mensch gestaltet wurde. Denn es gab damals keinen Begriff für kleinere Elemente als die für das Auge Sichtbaren. Und ja, vielleicht bedeutet die Schöpfung der Sonne am vierten Tag der Schöpfung wirklich, dass die Sonne von der Erde aus sichtbar wurde, da die Atmosphäre sich vom Dunst befreite.
Wir müssen nicht annehmen, dass die biblischen Autoren naturwissenschaftliche Erkenntnisse erhielten, die ihre Kultur weit überstieg, um unseren Glauben an die Schriften aufrecht zu erhalten. Die Bibel ist nicht dazu da, um die Entfernung von der Erde zur Sonne zu berechnen oder das Alter von Fossilien zu bestimmen.
James E. Talmage warnt uns:
Die Anfangskapitel von Genesis waren niemals als Lehrbuch für Geologie, Archäologie, Erdkunde oder Biologie gedacht. … Wir zeigen keine Achtung vor den Heiligen Schriften, wenn wir sie durch falsche Interpretation missbrauchen.
Die naturwissenschaftliche und geschichtliche Akkuratheit ist für Heilige Schriften nicht das ausschlaggebende Argument.
Man darf beim Studium des Alten Testaments nicht von der modernen abendländischen Kultur ausgehen und unsere heutige Denkweise zum Maßstab für die Beurteilung orientalischer Verhältnisse machen. Weit bis ins Mittelalter hinein war Geschichte ein Zweig der Literatur und nicht der Wissenschaft. Die Geschichte war ein Reservoir an moralischen Lektionen, glaubensstärkenden Geschichten und Beispielen an Glauben und Hingabe. Aristoteles schrieb:
Die künstlerische Darstellung von Geschichte ist eine anspruchsvollere und ernsthaftere Aufgabe als das genaue Schreiben von Geschichte... Das Ziel der Kunst liegt darin, nicht die äußere Erscheinung von Dingen darzustellen, sondern ihre innere Bedeutung. Denn dies, und nicht die äußeren Details, ist wahre Realität.
Diejenigen, die an eine übernatürliche Schöpfung glauben und die natürliche Evolution ablehnen, müssten übrigens ebenso die meterologischen Erkenntnisse über die natürlichen Ursachen von Niederschlag verneinen. Heißt es doch in Ijob 5:10 über Gott:
Er spendet Regen über die Erde hin und sendet Wasser auf die weiten Fluren.
Die Entstehung von Regen wurde zu biblischen Zeiten genauso als ein Wunder angesehen wie die Entstehung der Tier- und Pflanzenarten. Beides ist durch neuere Erkenntnisse durch natürliche Prozesse erklärbar.
Der Prozess der Entstehung der Bibel ist ebenfalls von natürlichen, menschlichen Elementen beeinflusst, wie sie auch bei weltlicher Literatur in Erscheinung treten. Das israelitische Volk war von altertümlichen Mythen und Traditionen geprägt und von heidnischen Kulten umgeben und durchdrungen. Lange Zeit war es eher eine Minderheit des Volkes, die den wahren Gott verehrt hat.
Da antworteten alle Männer, die wussten, dass ihre Frauen anderen Göttern opferten, und alle Frauen, die dabeistanden, eine große Schar, sowie alle Leute, die in Ägypten und in Patros wohnten, dem Jeremia: Was das Wort betrifft, das du im Namen des Herrn zu uns gesprochen hast, so hören wir nicht auf dich. Vielmehr werden wir alles, was wir gelobt haben, gewissenhaft ausführen: Wir werden der Himmelskönigin Rauchopfer und Trankopfer darbringen, wie wir, unsere Väter, unsere Könige und unsere Großen in den Städten Judas und in den Straßen Jerusalems es getan haben. (Jeremia 44:15-17)
So musste Elia trotz seines Sieges beim Wettbewerb gegen die Baalspriester vor Isebel außer Landes fliehen. Und selbst im Tempel zu Jerusalem wurde die meiste Zeit seiner Existenz die Schlangengöttin Nehuschtan und die Göttin Ascherah verehrt. Und immer wieder lesen wir davon, wie heidnische Kultstätten und -objekte eingeführt oder zerstört wurden:
Sie verließen den Herrn, den Gott ihrer Väter, der sie aus Ägypten herausgeführt hatte, und liefen anderen Göttern nach, den Göttern der Völker, die rings um sie wohnen. Sie warfen sich vor ihnen nieder und erzürnten dadurch den Herrn. (Richter 2:12)
Salomo verehrte Astarte, die Göttin der Sidonier, und Milkom, den Götzen der Ammoniter und baute auf dem Berg östlich von Jerusalem eine Kulthöhe für Kemosch, den Götzen der Moabiter, und für Milkom, den Götzen der Ammoniter. (1. Könige 11:5,7)
Er schaffte die Kulthöhen ab, zerbrach die Steinmale, zerstörte den Kultpfahl und zerschlug die Kupferschlange, die Mose angefertigt hatte und der die Israeliten bis zu jener Zeit Rauchopfer darbrachten - man nannte sie Nehuschtan. (2. Könige 18:4)
Das Judentum hat sich erst langsam aus diesem „heidnisch“ geprägten Hintergrund heraus entwickelt. Dazu gehörte eine Verschmelzung der diversen kultischen Feste und Riten. Das jüdische Laubhüttenfest stimmt beispielsweise überein mit dem Neujahrsfest (ähnlich wie das Datum von Weihnachten und Ostern heidnische Ursprünge hat). Gleiches gilt für Mythen und Legenden, die von den biblischen Autoren auf Jahwe umgeschrieben oder angepasst wurden, aber ursprünglich in heidnischen Vorstellungen gründeten. Dass die biblischen Autoren vorhandenes kulturelles und kultisches Material verarbeiteten, lag auch daran, dass die Menschen zu der damaligen Zeit in viel geringerem Maße als heute in der Lage waren, neue Informationen aufzunehmen. Die Menschen waren viel stärker in Traditionen verwurzelt. Sie übernahmen die mündlichen Überlieferungen ihrer Ahnen, statt neue Informationen in Büchern oder dem Internet zu suchen. Wir können uns kaum vorstellen, was damalige Traditionen, fast ausschließlich mündliche und lokal begrenzte Vermittlung für das Lernen und die Aufnahme neuer Ideen bedeutet hat.
Die Geschichtsschreibung wie wir sie heute kennen, hat es schlicht und ergreifend nicht gegeben. Am gängigsten waren hingegen so genannte poetische Erzählungen, die keine nüchterne Geschichtsschreibung war, obwohl sie auch auf beobachteten Tatsachen beruhte, aber unbefangen mit Gebilden der Fantasie gemischt wurde, um zu belehren, zu erfreuen, zu rühren, zu begeistern und zu unterhalten. Solche erdichteten Geschichten haben die Menschheit von ihren frühesten Zeiten an begleitet; sie sind gewöhnlich neben den Liedern das Älteste, was von der geistigen Kultur der Völker erhalten geblieben ist. In Form von Romanen sind sie nach wie vor verbreiteter als Sachbücher und streng geschichtliche Darstellungen. Im Gegensatz zur heutigen Zeit pflegten die älteren Völker jedoch, an diese poetischen Erzählungen zu glauben und Roman und Sachbuch bedenkenlos zu vermengen. Wir können zwischen bewusster Dichtung und wirklich geschehenen Begebenheiten unterscheiden und Erzählungen in der Regel einem bestimmten Autor zuordnen. Im Gegensatz dazu ist sie bei früheren Kulturen Allgemeingut und Teil der Tradition, Identität und Überlieferung wie die Sprache. Sie hat sich über Jahrhunderte von Mund zu Mund fortgepflanzt und Unzählige haben sie verändert und angepasst.
So hat natürlich auch Israel und seine umliegenden Völker solche „erdichteten“ Geschichten besessen. Ansonsten hätte Israel eine wunderliche wie traurige Ausnahme gebildet. Und diese haben selbstverständlich auch ihren Weg ins Alte Testament gefunden.
Im Laufe der Jahre werden bei mündlicher Überlieferung Geschehnisse und Personen nahezu selbstverständlich übertrieben, übersteigert, dramatisiert und glorifiziert. Aus einer kleinen Horde wird eine Armee, der gewöhnliche Prinz zu einem übermenschlichen Helden. Nur so werden die Berichte erinnert und können ihr Publikum fesseln. Und um im Gedächtnis zu bleiben, werden sie in bekannte Formen gepresst oder in poetische Reimform gebracht.
Also sollten wir nicht erschrecken, wenn wir im Alten Testament Mischungen mit Märchenmotiven, Fabeln, Heldenlegenden und -sagen vorfinden. Manch einer hält es für einen Angriff auf die Würde und den Status der Heiligen Schrift, in der Bibel nach mythischen und sagenhaften Spuren zu suchen.
So erzählt das Alte Testament von matriarchalischen Tempelkulten (2. Könige 23:7), der Frühlingsgott als „Liebling der Frauen“ wurde verehrt (Daniel 11:37). Kulthandlungen finden in geheimnisvollen Hainen, an Quellen, heiligen Brunnen und geweihten Steinen statt. Auch die Königsmutter hatte eine besondere kultische Rolle. Oder wir lesen von einer wundersamen Pflanze, die Luther als Liebesäpfel übersetzt hat und für die Rahel sogar auf eine Nacht mit Jakob verzichtet:
Einst ging Ruben zur Zeit der Weizenernte weg und fand auf dem Feld Alraunen. Er brachte sie seiner Mutter Lea mit. Da sagte Rahel zu Lea: Gib mir doch ein paar von den Alraunen deines Sohnes! Sie aber erwiderte ihr: Ist es dir nicht genug, mir meinen Mann wegzunehmen? Nun willst du mir auch noch die Alraunen meines Sohnes nehmen? Da entgegnete Rahel: Gut, dann soll Jakob für die Alraunen deines Sohnes heute Nacht bei dir schlafen. Als Jakob am Abend vom Feld kam, ging ihm Lea entgegen und sagte: Zu mir musst du kommen! Ich habe dich nämlich erworben um den Preis der Alraunen meines Sohnes. So schlief er in jener Nacht bei ihr. (Genesis 30:14-16)
Dass Sagen, Mythen und mündliche Überlieferungen der Israeliten das Rohmaterial für die alttestamentlichen Redakteure bildeten, zeigt sich unter anderem in der Simson-Sage. Es ist doch schwer zu glauben, dass Simson den Löwen mit bloßen Händen zerriss, als würde er ein Böckchen zerreißen. (Richter 14:6) Oder dass er den noch blutigen Kinnbacken eines Esels fand, ihn mit der Hand ergriff und damit tausend Männer erschlug (Richter 15:5).
Oder wir finden Passagen, in denen Gott ebenso wie in kultischen Mythen als Kämpfer gegen Ungeheuer und Drachen dargestellt wird:
Wach auf, wach auf, bekleide dich mit Macht, Arm des Herrn! Wach auf wie in den früheren Tagen, wie bei den Generationen der Vorzeit! Warst du es nicht, der die Rahab zerhieb und den Drachen durchbohrte? (Jesaja 51:9)
Man denke auch an die dreimalige fast identische Begebenheit, in der Sara als Schwester statt Ehefrau Abrahams ausgegeben wurde (Genesis 12:10-20; 20:1-18 und 26:1-11). Typisch ist auch die „fabelhafte“ Beseelung der Natur, die sich in vielen biblischen Ausdrücken wieder findet. Das sind allerdings alles nur allegorische Bilder, nicht aber wirklicher Glaube, im Gegensatz zu anderen urtümlichen Kulturen.
Selbst die Zypressen und die Zedern des Libanon machen sich über dich lustig. (Jesaja 14:8)
Das Meer sah es und floh, der Jordan wich zurück. Die Berge hüpften wie Widder, die Hügel wie junge Lämmer. (Psalm 114:3,4)
Berge und Hügel brechen bei eurem Anblick in Jubel aus, alle Bäume auf dem Feld klatschen Beifall. (Jesaja 55:12)
Die Morgenröte wird als Wesen mit Flügeln aufgefasst (Psalm 139:9), die Unterwelt als Ungeheuer (Jesaja 5:14) und am Ende der Erde hat Gott der Sonne ein Zelt gebaut (Psalm 19:5).
Richter 9 enthält die „Fabel vom König der Bäume“, die Jotam den Bürgern von Sichem nach der Krönung seines Bruders Abimelech zum König erzählt hat. Das Alte Testament kennt auch die Vorstellung von einem Königreich der Tiere (Ijob 41:26). Übrigens soll Gott Ninive auch wegen der vielen Tiere verschont haben (Jona 4:11), die sich am Fasten beteiligen mussten (Jona 3:7). Irgendwie süss! Auch der legendäre Vogel Phönix war bekannt (Ijob 29:18), der aus der Asche in frischer Jugend emporsteigt.
In Baruch (3:16, 17) wird an sagenumwobene Könige erinnert:
Wo sind die Gebieter der Völker? Sie herrschten sogar über die Tiere der Erde und spielten mit den Vögeln des Himmels.
Im Alten Testament gibt es auch die Vorstellung von gefesselten Sternbildern und Kindern von Sternen: Knüpfst du die Bande des Siebengestirns oder löst du des Orions Fesseln? Führst du heraus des Tierkreises Sterne zur richtigen Zeit, lenkst du die Löwin samt ihren Jungen? (Ijob 38:31, 32)
Eine ehemals heidnische Legende wurde in Exodus 4:24-26 verarbeitet:
Unterwegs am Rastplatz trat der Herr dem Mose entgegen und wollte ihn töten. Zippora ergriff einen Feuerstein und schnitt ihrem Sohn die Vorhaut ab. Damit berührte sie die Beine des Mose und sagte: Ein Blutbräutigam bist du mir. Da ließ der Herr von ihm ab. «Blutbräutigam», sagte sie damals wegen der Beschneidung.
Sicherlich eine wilde, rohe Geschichte aus der Urzeit, die zunächst keinen Bezug zu Jahwe hatte, sondern von Dämonen handelte. Später wurde sie dann auf den Gott Israels übertragen. Das Wort „Beine“ ist übrigens ein zurückhaltender Ausdruck für „Scham“. In dem Bestreben, nur Jahwe zu verehren, wurden Erzählungen über heidnische Götter und Dämonen entweder verbannt oder einfach Jahwe zugeschrieben – egal, ob das dann wirklich Sinn machte oder nicht.
Dass alte Legenden und Kulte im AT verarbeitet wurden, zeigt auch Genesis 14, wo von einem Kultdrama berichtet wird. Da treffen sich neun Könige zu einem rituellen Kampf in einem Tal und der König von Sodom fällt auf der Flucht in ein Erdpechgrube, wenige Verse später zieht er aber wieder quicklebendig durch die Gegend. Alles Anzeichen für die weit verbreitete archaische Kultpraxis des Königsopfers: der König muss symbolisch in die Unterwelt hinabsteigen, um anschließend wiedergeboren zu werden. Hier wurde also höchstwahrscheinlich aus der kultischen Liturgie eine Geschichte gemacht.
Auch Jakobs Ringen mit dem Herrn (Genesis 32:23-33) könnte eine vorisraelitische Furtlegende über Dämonen, die kein Tageslicht ertragen, zugrunde liegen. Wurde sie gewaltsam umgedeutet, um sie von der Vielgötterei zu befreien? Handelt es sich um Geschichtsfälschung? Die Botschaft könnte lauten: Glaube heißt mit Gott ringen und ihn nicht loslassen, bis man Segen empfängt. Darum geht es doch eigentlich. So erwartet man bei einem Kriminalroman auch keinen Tatsachenbericht oder die akkurate Beschreibung von Polizeiarbeit.
Das Besondere an Mose wird dadurch ausgedrückt, dass er bis zu seinem Tod seine Manneskraft nicht verloren haben soll (Deut 34:7). Wahrscheinlich wurde auch die Geburtslegende König Sargons I. auf Mose projiziert, um ihm idealbiografische Züge zu verleihen - von der wundersamen Bewahrung bei seiner Geburt bis zu einem wundersamen Tod. Der babylonische König Sargon wurde angeblich von seiner Mutter in ein Kästchen aus Rohr, dessen Tür mit Erdpech verschlossen war, auf den Euphrat ausgesetzt, aber von einem Gärtner gefunden und aufgezogen.
Von einem schaurigen Schönheitsmittel wird in 1. Könige berichtet:
Als man im Teich von Samaria den Wagen ausspülte, leckten Hunde sein Blut, und Dirnen wuschen sich darin, nach dem Wort, das der Herr gesprochen hatte. (1. Könige 22:38)
Man wollte den König noch nach seinem Tod verunehren. Die Praxis entstammt dem Glauben, dass das Blut eines Königs Schönheit verleiht, was besonders im Kreise der Dirnen verbreitet war.
Auch wenn das Alte Testament kein Märchenbuch ist, beinhaltet es doch viele klassische Märchenmotive:
Wunschdinge: Der Mehltopf wird nicht leer werden und der Ölkrug nicht versiegen bis zu dem Tag, an dem der Herr wieder Regen auf den Erdboden sendet. (1. Könige 17:14)
Freie Wünsche: In Gibeon erschien der Herr dem Salomo nachts im Traum und forderte ihn auf: Sprich eine Bitte aus, die ich dir gewähren soll. (1. Könige 3:5)
Geisterreisen: Er streckte etwas aus, das wie eine Hand aussah, und packte mich an meinen Haaren. Und der Geist hob mich empor zwischen Erde und Himmel und brachte mich in einer göttlichen Vision nach Jerusalem (...). (Ezechiel 8:3)
Riesenlegenden: Dort wurden die Riesen geboren, die berühmten Männer der Urzeit, hoch an Wuchs und Meister im Kampf. Und doch hat Gott nicht diese erwählt, nicht ihnen den Weg der Weisheit gezeigt. Sie gingen zugrunde, weil sie ohne Einsicht waren; ihrer Torheit wegen gingen sie unter. (Baruch 3:26-28); Goliat: Auf seinem Kopf hatte er einen Helm aus Bronze und er trug einen Schuppenpanzer aus Bronze, der fünftausend Schekel wog [1 Schekel = 12g, das heißt 60kg]. (1. Samuel 17:4); In jenen Tagen gab es auf der Erde die Riesen, und auch später noch, nachdem sich die Gottessöhne mit den Menschentöchtern eingelassen und diese ihnen Kinder geboren hatten. Das sind die Helden der Vorzeit, die berühmten Männer. (Genesis 6:4)
Wunderkraft des Körpers von Gottesmännern: Als man einmal einen Toten begrub und eine dieser Scharen erblickte, warf man den Toten in das Grab Elischas und floh. Sobald aber der Tote die Gebeine Elischas berührte, wurde er wieder lebendig und richtete sich auf. (2. Könige 13:21)
Zauberstab: Als Mose am nächsten Tag zum Zelt der Bundesurkunde kam, da war der Stab Aarons, der das Haus Levi vertrat, grün geworden; er trieb Zweige, blühte und trug Mandeln. (Numeri 17:23)
Veränderung des Laufs der Sonne: Siehe, ich lasse den Schatten, der auf den Stufen des Ahas bereits herabgestiegen ist, wieder zehn Stufen hinaufsteigen. Da stieg der Schatten auf den Stufen, die er bereits herabgestiegen war, wieder zehn Stufen hinauf. (Jesaja 38:8); Und die Sonne blieb stehen und der Mond stand still, bis das Volk an seinen Feinden Rache genommen hatte. Das steht im «Buch des Aufrechten». Die Sonne blieb also mitten am Himmel stehen und ihr Untergang verzögerte sich, ungefähr einen ganzen Tag lang. (Josua 10:13)
Zaubermittel: Doch er befahl: Bringt mir etwas Mehl! Er streute das Mehl in den Topf und sagte: Setzt es nun den Leuten zum Essen vor! Jetzt war nichts Schädliches mehr im Topf. (2. Könige 4:41)
Mit Blindheit schlagen: Als dann die Aramäer anrückten, betete Elischa zum Herrn und rief: Schlag doch diese Leute mit Verblendung! Und der Herr schlug sie auf das Wort Elischas hin mit Verblendung. Daraufhin sagte Elischa zu ihnen: Das ist nicht der richtige Weg und nicht die richtige Stadt. Folgt mir! Ich werde euch zu dem Mann führen, den ihr sucht. Er führte sie aber nach Samaria. Als sie dort angekommen waren, betete Elischa: Herr, öffne ihnen die Augen, damit sie sehen. Der Herr öffnete ihnen die Augen und sie sahen, dass sie mitten in Samaria waren. (2. Könige 6:18-20)
Verwandlung von Menschen in Tiere: Noch in derselben Stunde erfüllte sich dieser Spruch an Nebukadnezzar: Man verstieß ihn aus der Gemeinschaft der Menschen und er musste sich von Gras ernähren wie die Ochsen. Der Tau des Himmels benetzte seinen Körper, bis seine Haare so lang wie Adlerfedern waren und seine Nägel wie Vogelkrallen. (Daniel 4:30)
Vorgeprägte Motive: So wie Ritter Drachen töten, haben Helden im alten Israel Löwen getötet (Simson: Richter 14:5,6; David: 1. Sam. 17:34-36).
Ganz wichtig ist zu bedenken, dass das geschriebene Wort historisch relativ spät eingesetzt hat und in der Antike nur sehr Wenigen zugänglich war. Die älteste Schrift ist die der Sumerer, die um 3 000 v.Chr. in Mesopotamien entwickelt wurde. Bis zum Reich Davids (930 v.Chr.) hat man wenig geschrieben und eher erzählt und gesungen. Erst am königlichen Hof gab es Männer, die schreiben konnten und die Muße hatten, die vorher im Nomadentum oder während der Eroberungskriege fehlte. Schreiben war viel schwieriger, Schreibmaterial – nämlich Tontäfelchen - umständlicher zu handhaben und zu transportieren. Außerdem waren die ältesten Schriften unvollständig, mehrdeutig und kompliziert. Anfangs diente sie lediglich für plumpe Aufzeichnungen im Telegrammstil. Die sumerische Keilschrift ermöglichte zwar Prosa, aber nur in einer komplizierten Mischung aus Hunderten Logogrammen und Zeichen. Die Kunst des Schreibens blieb daher lange ausgebildeten Schreibern vorbehalten, die im Dienst der Könige standen. Etwa 90 Prozent der Schrifttafeln aus den ältesten sumerischen Archiven sind reine buchhalterische Auflistungen.
Die Schreiber haben dann aus den vorhandenen Legenden eine Vergangenheit erschaffen, welche sie für das auserwählte Volk als würdig erachteten. Dass eine Nation sich die eigene Vergangenheit glorreich ausschmückt, ist weder ungewöhnlich noch selten. Dieser „Propaganda-Effekt“ zeigt sich auch in der Rechtfertigung der Tötung von Sauls Nachkommen durch David beziehungsweise seine bereitwillige Auslieferung der sieben Söhne an die Philister. Dass Personen, die einem König den Thron streitig machen könnten, umgebracht wurden, war keine Seltenheit. Übrigens ist der Bericht, dass sie zur Erntezeit getötet wurden, ebenso wie von Davids Umgang mit den Gebeinen ein Hinweis auf heidnische Praktiken.
Viele historische Ereignisse wurden im Verlauf der Geschichte Israels und je nach Standpunkt anders verstanden und interpretiert. Es macht eben einen Unterschied, ob ein Profet aus dem Nordstaat Israel oder dem Südstaat Juda kam, ob man aus der Perspektive des gerade vollzogenen Übergangs vom Nomadentum zur Sesshaftigkeit, vom Übergang des Stammesbündnisses in Kanaan zum Königreich oder der Blüte des israelischen Reiches unter Davids und Salomos Regentschaft blickt. Die biblischen Berichte wurden hierbei mehrfach überarbeitet, beispielsweise während der Restauration des Tempels und der Reformation unter König Josua (639 bis 609 v.Chr.), der festgestellt hatte, dass das Volk den Herrn verlassen und anderen Göttern geopfert hat (s. 2. Könige 22:17). Ein Großteil des Alten Testaments wurde gar erst nach der Deportation nach Babylon im 6. Jahrhundert vor Christi verfasst.
Die biblischen Redakteure haben zudem verschiedene Quellen und Berichte zu einem einheitlichen Buch zusammengefügt. Einige Bücher, die es einst gegeben hat, sind verloren gegangen: In Numeri 14:9 spricht es von einem Buch der Kriege des Herrn und in Josua 10:13 vom Buch des Aufrechten.
Hin und wieder erkennt man Nahtstellen zwischen verschiedenen zugrunde liegenden Quellen:
Da ging Mose zum Volk hinunter und sagte es ihnen. (Exodus 19:25)
Dann sprach Gott alle diese Worte. (Exodus 20:1)
Dadurch sind einige Widersprüche aufgekommen. Sara soll demnach mit 60 Jahren immer noch so begehrenswert gewesen sein, dass der Pharao sie bei ihrem Aufenthalt in Ägypten in sein Harem holt. Und selbst mit 90 Jahren hätte sie so viel Liebreiz besessen, dass sie noch einmal dasselbe durchmacht (siehe Genesis 20). Oder es kam zu Dubletten etwa bei der wundersamen Beschaffung von Trinkwasser (Exodus 17:1-7 und Numeri 20:1-12).
Zu den Duplikaten zählen auch die zwei Schöpfungsberichte einmal in Genesis 1 und Genesis 2 (ab Vers 4, zweiter Satz) und 3, die zwei Berichte von Hagar und Ischmaels Vertreibung (Genesis 16 und 21) sowie die zwei Berufungen Moses (Exodus 3 und 6). Die Schöpfungsberichte waren vermutlich zunächst zwei getrennte Erzählungen, die nachträglich als geistige und körperliche Schöpfung zusammengesetzt wurden. Durch das Verarbeiten und Zusammenfügen verschiedener Quellen erklärt sich auch, dass Noach mal sieben Paare der reinen Tiere in die Arche nimmt (Genesis 7:2) und dann scheinbar generell nur jeweils ein Paar (Genesis 7:9, 15). Mal wird von Sinai, mal von Horeb als dem Berg gesprochen, auf dem der Herr seinen Bund gebracht hat. Mal heißen die Menschen in Palästina Kanaaniter, mal Amoriter.
Neben althebräischer Sagen und Überlieferungen wurden auch Vorstellungen angrenzender Völker verarbeitet. Die einwandernden Stämme Israels übernahmen die Sprache der Kanaaniter und damit auch Erzählungen, Festzeiten, Heiligtümer, Riten und Gebräuche (siehe auch Sprichwörter 30:1; 31:1). Dies erklärt die vielen Übereinstimmungen mit Traditionen, die im Ugaritischen und anderen kanaanäischen Kulten beheimatet sind. Zum Teil geschah dies bewusst, da die Menschen mit diesen Mythen vertraut waren. Dadurch wurden gerade die Unterschiede zu den anderen Göttern vermittelt. Beispielsweise dass Jahwe nicht das Schicksal seines Volkes im Voraus bestimmte oder selbstsüchtig und willkürlich handelte .
Das Alte Testament ist somit ein komplexes Produkt seiner Zeit und Kultur, der damaligen Art des Erzählens und Schreibens sowie des damaligen Verständnisses der Welt.