Christentum powered by Mithras



Interessante Parallelen zum Christentum, die den Ursprung einiger christlicher Geschichten und Lehren erklären:


„Mithras, der Gott des himmlischen Lichtes, ist eine Personifikation der Sonne. Seine aus Persien und Indien stammende Lehre war schon im vorchristlichen Jahrhundert bis nach Ägypten gekommen. Etwa gleichzeitig mit der christlichen gelangte sie ins römische Reich und verbreitete sich, genau wie diese, mit kaum vorstellbarer Rapidität vor allem durch Soldaten, Händler und Sklaven bis nach Nordafrika, Spanien, Gallien, Germanien und Britannien. Der abendländische Ausgangspunkt der Mithrasreligion ist Zilizien gewesen, die Heimatprovinz des Paulus, wo der Mithrasglaube schon fast hundert Jahre vor Paulus eingedrungen war. Die Forschung stellte eine Reihe von Entsprechungen zwischen seiner Predigt und dem Mithraskult fest.

Mithras stieg vom Himmel herab, bei seiner Geburt sollen ihn Hirten angebetet und ihm die Erstlinge ihrer Herden und Früchte gebracht haben. Später fuhr er wieder zum Himmel auf, wurde durch den Sonnengott inthronisiert, das heißt Teilnehmer an seiner Allmacht, und schließlich Glied einer Trinität. Man glaubte, dass er einst wiederkehren würde, um die Toten zu erwecken und zu richten.

Mithras war Mittler zwischen Himmel und Erde, Gott und dem Menschengeschlecht, Gottmensch, Weltheiland und Erlöser. Er war der »Felsgeborene«, wie – eine Parallele, die schon die ältesten kirchlichen Apologeten beschäftigte – auch Christus als »Fels« bezeichnet wird, und ebenso Petrus, bei dem sogar der Hahn und die Schlüssel erscheinen, beides Symbole des Sonnengottes.

Der heilige Tag des Sonnengottes war der dies solis, der Sonntag. Er wurde im Mithraskult als erster Tag der Woche besonders gefeiert, dann als »Tag des Herrn« auch von den Christen, für die ursprünglich alle Tage in gleicher Weise dem Herrn gehörten.

Der Geburtstag des Mithras, der dies natalis solis, war der 25. Dezember, heute bekanntlich der Geburtstag Christi. Vom 24. auf 25. Dezember versammelten sich dabei die Mysten in einem unterirdischen Adyton, um gegen Mitternacht die Einweihungsriten zu vollziehen. In der Morgendämmerung verließen dann die Gläubigen in einer Prozession den Kultort, wobei sie die Statuette eines Kindes als Symbol des eben von der Jungfrau, der Dea Caelestis, geborenen Sonnengottes mit sich führten. Sobald die Sonne aufging, stimmten sie die liturgische Formel an: »Die Jungfrau hat geboren, zu nimmt das Licht.« Aber auch folgende Wendung ist überliefert: »Der große König, der Wohltäter Osiris ist geboren«. Bei der Geburt des Gottes soll sogar eine Stimme aus der Höhe erschollen sein: »Der Herr des Alls tritt ans Licht hervor«. Bei Lukas spricht der Engel: »Heute wurde euch der Heiland geboren«. […]

Der Mithraskult besaß Taufe, Firmung und eine Kommunion, die aus Brot und Wasser oder einem Gemisch von Wasser und Wein bestand. Man beging sie, wie im Christentum, zum Gedächtnis an eine letzte Mahlzeit des Meisters mit den Seinen. Die Hostien waren mit einem Kreuzzeichen versehen. Den Priestern oblag offenbar vor allem das Spenden der Sakramente und die Zelebrierung des Gottesdienstes. Die Messe wurde täglich gefeiert, die wichtigste jedoch am Sonntag. Der Zelebrant sprach dabei über Brot und Wasser die heiligen Formeln, bei einem besonders feierlichen Moment klingelte man mit einem Glöckchen, und sonst erklangen lange, von Musik begleitete Gesänge. Auf den Altären der Mithrastempel brannte eine Art Ewiges Licht. Die Einweihungen fanden im Frühjahr statt, wie viele Taufen in der antiken Kirche, und in besonderen Kultfeiern wusch man mit Blut die Sünden ab. Die Kirchenväter sahen in solchen Gleichheiten nur Erfindungen des Teufels.
Die Mithriasten beriefen sich auf eine Offenbarung, setzten eine Sintflut an den Anfang der Geschichte, ein Jüngstes Gericht an deren Ende, und sie glaubten nicht nur an eine Unsterblichkeit der Seele, sondern auch an die Auferstehung des Fleisches. […]

Um die Wende des 4. Jahrhundert war der Mithriacismus hoffähiger als das Christentum. Diokletian, Galerius und Licinius weihten dem Mithras als dem Schützer ihres Reiches in Carnuntum an der Donau einen Tempel. Maximian errichtete ihm ein Mithräum in Aquileia. Bis nach Spanien und an den Rhein gewann er Anhänger. In London und Paris erbaute man ihm Heiligtümer. Sogar in Schottland hinterließ der Mithrasglaube Spuren. Das Christentum, dem er besonders verhasst gewesen, dessen stärkster Gegner, aber auch stärkster Wegbereiter er war, schien er nun an Einfluss und Anhängerzahl fast überflügelt zu haben. Dann jedoch erlag der Mithriacismus, wie alle anderen Kulte, dem Verbot der katholischen Kaiser. Von der Kirche aufgestachelt, haben die Christen noch im 4. Jahrhundert seine Anhänger überall verfolgt, die Mithräen geplündert, die Priester getötet und in den geschleiften Tempeln begraben. In den Ruinen des Mithräums von Saalburg fand man das Skelett des heidnischen Priesters in Fesseln. Man hatte den Leichnam im Heiligtum verscharrt, um dieses für immer zu entehren. Nach manchen Forschern gelang die Niederkämpfung dieses Glaubens sogar nur, weil die Christen ihre Kirchen einfach über seinen Kultstätten erbauten. Wurde doch dadurch nach antikem Denken der frühere Gott gelähmt oder gar vernichtet. Eine ganze Mithraskrypta liegt beispielsweise unter der Kirche San Clemente in Rom. Der christliche Altar steht fast genau über dem heidnischen. Die meisten Mythräen, nicht weniger als vierzig (darunter etwa ein Dutzend dicht um Frankfurt), wurden jedoch in Deutschland entdeckt, wo der Mithraskult, neben den Donauprovinzen, seine festesten Stützpunkte hatte. Nur in den Alpen und Vogesen konnte sich der Mithrasglaube bis ins 5. Jahrhundert erhalten. Dann war er auch dort beseitigt und blieb bis ins 19. Jahrhundert fast völlig vergessen.“


(aus Karlheinz Deschner, Abermals krähte der Hahn, S. 116ff.)