Wie kam es zum Wort der Weisheit?

Die meisten Mitglieder kennen nur die von Brigham Young verbreitete Geschichte mit der Schule der Profeten und Emma, die sich über das Saubermachen der Kautabakreste beschwerte. Das ‚Wort der Weisheit‘ geht aber wohl eigentlich auf eine Vorläufer-Bewegung in Kirtland zurück, die ‚Kendal Community‘.

Es war eine Art sozialistischer Kommune, in der Eigentum wie in einer großen Familie geteilt wurde. Unter anderem wegen religiöser Differenzen zerbrach die Bewegung um 1829. Samuel Underhill, der die moralischen und ökonomischen Prinzipien der Bewegung noch lange im Raum Kirtland predigte, schrieb 1829 nieder:

“Hearken unto wisdom and be ye saved. Strong drink is ruin; much wine is an evil, tea is a curse, coffee is injurious, tobaccos disgustful and poisonous and altogether are a great damnation. Drink water alone, live on simple diet take due exercise and ye shall be happy.” (Samuel Underhill, Chronicles, Notes, and Maxims of Dr. Samuel Underhill, Document 3)

Übersetzung: “Hört auf Weisheit und werdet errettet. Starkes Getränk ist Vernichtung, viel Wein ist ein Übel, Tee ist ein Fluch, Kaffee ist schädlich, Tabake sind ekelerregent und giftig und insgesamt eine große Verdammnis. Trinke nur Wasser, lebe von einfachem Essen, mach gebührend Sport und ihr werdet glücklich sein.“

Underhill predigte auch über die Reduzierung des Fleischkonsums und riet, auf das Essen von Schweinefleisch ganz zu verzichten.

Als einer seiner Anhänger Joseph bezüglich Schweinefleisch ansprach, erklärte Joseph, das jüdische Verbot beruhe auf folgendem Hintergrund:

„Bruder Levi, der Herr sah voraus, als die Israeliten auszogen, dass ihnen Heerscharen von Männern entgegentreten würden und dass Israel gegen sie kämpfen müssen und der Boden voller toter Menschen sein würde. Kann der Geist Gottes in Kannibalen wohnen? [Da die Schweine die Leichen essen und die Menschen dann wiederum die Schweine essen könnten, würden die Menschen so zu Kannibalen werden.] ... Daher erließ er ein Gebot dagegen, aber Israel hat sich so auf das Gesetz versteift, dass sie danach noch immer die Gewohnheit aufrecht erhielten, kein Schweinefleisch zu essen.“ (Levi Ward Hancock, Autobiography, S. 22)

Man sieht sehr schön, wie Joseph Smith vorhandene Lehren und Ansichten aufgriff (‚Wort der Weisheit‘, ‚Vereinigte Ordnung‘ uvm.), dabei aber extreme Auswüchse ablehnte - allerdings im Fall von Schweinefleisch mit zweifelhaften Behauptungen über die Israeliten. Wie kann man derartige augenscheinliche Parallelen erklären?
a) Joseph Smith hat Ideen und Vorstellungen aus seiner Umgebung einfach kopiert und adaptiert.
b) Gott hat Wahrheiten vielen Menschen kundgetan und nicht exklusiv Joseph.
c) Gott hat bewusst dafür gesorgt, dass die passende Inspiration für Joseph in seiner Umgebung zu finden war.
Problem mit (b) und (c): Wie können wir wissen, ob Joseph Smith sich in Sachen 'Wort der Weisheit' nicht genauso geirrt hat wie mit seinen Prophezeiungen hinsichtlich Indianer = Lamaniten, Polygamie, Zion in Missouri, Kirtland-Bank, Freimaurertum usw.? Und sprechen seine nachweislich fälschlichen Übersetzungen der Buch Abraham Papyri und der Kinderhook-Platten nicht deutlich für Illusion und Einbildung statt Inspiration und Offenbarung?

Zumindest ist klar, dass alle vermeintlich originär von Joseph Smith stammenden Ideen in seiner Umgebung vorhanden waren - ob Reiche der Herrlichkeit, Tempelzeremonien, Vereinigte Ordnung, Wort der Weisheit, Priestertümer, von den Israeliten abstammende Ureinwohner Amerikas usw.