„Ich weiss, dass…

die Kirche wahr, Joseph Smith ein Profet, das Buch Mormon das Wort Gottes ist…“

- habe ich oft selbst gesagt und noch häufiger gehört. Nun mag man darüber philosophieren, ob man in diesem Zusammenhang wirklich von Wissen als stärkere Form der Überzeugung gegenüber Glaube sprechen kann. Und warum man sich und anderen gegenüber das gleich einem Mantra immer und immer wieder aufsagen muss.

Das Entscheidende bei dieser Art Zeugnis ist, dass man dabei einem genialen Kunstgriff, einer List und Manipulation aufsitzt.  Denn, was man wirklich weiß ist, dass beispielsweise ein Gottesdienst einen bewegt, die kirchliche Musik einen berührt, eine Passage in den Schriften einen inspiriert, die Geschichte eines anderen Menschen einen ergreift usw.

Derartige Gefühle und spirituelle Erlebnissen sind für einen selber sehr real und können sogar überwältigend und lebensverändernd sein. Insofern ist es durchaus berechtigt, aufgrund der Intensivität und Vielzahl derartiger Erlebnisse, irgendwann von Wissen zu sprechen.

Was man aber einzig und allein wirklich weiß ist, dass man diese emotionalen Erfahrungen im Zusammenhang mit kirchlichen Situationen tatsächlich hatte. Punkt. Man weiß damit noch nichts über die historische Person Jesu, den göttlichen Hintergrund der Tempelzeremonie oder wie Joseph Smith das Buch Mormon oder Buch Abraham produziert hat. Man mag auch noch so sehr die Verbindung zu einer höheren Macht beim Krankensegen spüren und weiß doch damit noch nichts darüber, ob Petrus, Jakobus und Johannes Joseph Smith irgendetwas übertragen haben.

Denn diese Gefühle sind natürlich in uns verwurzelt als soziale Wesen. Spiritualität ist nicht exklusiv mit dem Mormonismus und auch nicht mit Religion verbunden. Religion hat sich lediglich dieses Phänomen zunutze gemacht. Beispielsweise können wir gar nicht anders als angerührt zu sein, wenn uns eine Person mit Überzeugung oder tief ergriffen ein Erlebnis schildert. Das hat nichts mit dem Heiligen Geist zu tun, sondern vielmehr den so genannten Spiegelneuronen. Diese ermöglichen uns, Empathie zu verspüren und sorgen dafür, dass wenn wir eine Berührung eines anderen sehen, die gleichen Hirnregionen in uns aktiviert werden, wie wenn wir selber berührt worden wären.

Genauso ist es mit dem Gefühl der Ehrfurcht durch Kontakt mit hochrangigen Persönlichkeiten, im Zusammenhang mit beeindruckenden Naturschauspielen oder dem Erlebnis der Geburt eines Menschen. Psychologen wie Jonathan Haidt beschäftigen sich mit derartigen positiven Gefühlen wie Bewunderung, Dankbarkeit Barmherzigkeit und anderen transzendenten Emotionen. Dass erbauende Geschichten das Herz weiten und Empfindungen verstärken hat möglicherweise den evolutionären Vorteil, dadurch das Interesse an Beziehungen zu erhöhen und zum Nachahmen außergewöhnlicher Taten zu motivieren.

Wärme in der Brust, Gänsehaut am ganzen Körper, zu Tränen gerührt Sein und Ähnliches kann durch eine ganze Reihe von Dingen ausgelöst werden. Wer hat das nicht schon einmal bei einem besonders schönen Film erlebt? Oder gar bei den Fangesängen im Fußballstadion? In der Masse können Gefühle besonders verstärkt werden, was ja vielfach missbraucht wird.

Diese Gefühle nun einer Gottheit zuzuschreiben, ist naiv. Insbesondere, wenn man daraufhin rationale Gegenargumente damit beiseiteschiebt. Denn sie werden zwar häufig durch positive moralische Vorbilder ausgelöst, aber nicht immer. Und wie geht man damit um, wenn die abgeleiteten Erkenntnisse sich widersprechen. So kann einen beispielsweise das Video vom neuseeländischen Parlament nach der Legalisierung homosexueller Ehen (http://www.youtube.com/watch?v=KlVaPHdTWMk) genauso bewegen wie Ansprachen der LDS-Kirche, worin homosexuelle Verbindungen verurteilt werden. Oder was ist mit den vielen Mitgliedern, die scheußliche Erfahrungen bei der Begabungszeremonie im Tempel machen?

Der Trick besteht somit, natürliche soziale Gefühle als göttliche Bestätigungen auszugeben. Und somit aus einem „Ich fühle mich gut, wenn ich das Buch Mormon lese“ ein „Ich weiß, dass ein letzter nephitischer Profet namens Moroni als Engel Joseph Smith erschienen ist, ihm goldene Platten zum Übersetzen gegeben hat…“. Das eine hat mit dem anderen nur sehr bedingt zu tun. Und genauso wie Spiritualität von Religion vereinnahmt wurde, so geschah dies auch mit der Moral. Aber moralische Bewertungen benötigen genauso wenig der religiösen Untermauerung, zumal uns die Kirche lehrt, dass Gott nach Belieben auch äußerst unmoralische Handlungen verlangen kann, wie beim Opfer Isaaks, dem Völkermord der Israeliten, der Ermordung Labans, dem Betrug Josephs gegenüber Emma usw. Aber das ist eigentlich ein anderes Thema. Auf jeden Fall kann man sich auch ohne religiösen Glauben am Guten erfreuen und transzendente Erlebnisse haben.