Joseph Smith und der 21. September


Eines der wichtigsten Ereignisse im Rahmen der Wiederherstellung der Mormonen-Kirche ist das dreimalige Erscheinen des Engels Moroni im Schlafgemach Joseph Smiths in der Nacht vom 21. auf den 22. September 1823. Was ist dabei beachtenswert?
 

Joseph Smith konnte sich gemäß seines ersten Berichts von seiner Ersten Vision weder an den Tag noch an das Jahr dieses Erlebnisses erinnern. Ganz im Gegensatz dazu konnte er das Erscheinen des Engels genau datieren. Warum? War der 21. September 1823 ein ganz beliebiges Datum? Nicht für einen okkulten Seher und Schatzsucher.
 

In den okkulten Wissenschaften war der 21. September aus dreierlei Hinsicht bedeutsam und prädestiniert für die Kontaktaufnahme mit außerweltlichen Wesen: Erstens herrschte Vollmond, zweitens wurde Mabon, die Herbsttagundnachtgleiche bzw. der Herbst-Sabbat gefeiert und drittens wurde die Nacht nach astrologischen Berechnungen durch den Jupiter beherrscht. Jupiter war der herrschende Planet für die Familie Smith, so ihr magisches Familien-Pergament, und besonders geeignet zum heraufbeschwören guter Geister. Mabon war, wie populäre magische Anweisungen aus der Zeit und Umgebung Josephs belegen,  ein aus uralten Bräuchen übernommenes Sonnenfest und galt als die letzte Feier des Hexenjahres. Nach Aussage von Martin Harris hatte Joseph Smith zuvor an einer erfolglosen Schatzsuche teilgenommen. Nun nutzte er vermutlich diese besondere Nacht, um die Geister anzurufen und um diese wieder wohl zu stimmen.
 

So passen erste Beschreibungen der Ereignisse dieser Nacht augenscheinlich zu dem abergläubischen Weltbild der Akteure: Der Engel – lange Zeit als Geist bezeichnet – erschien Joseph im Traum dreimal (erst später wurde aus dem Traum eine Vision und aus dem Geist ein Engel – und der Geist oder Engel wurde zu Joseph Smiths Lebzeiten als Nephi identifiziert und erst später zu Moroni umgeschrieben), was typisch für besondere magische Träume galt. Dann verschwand der Geist kurz vor Sonnenaufgang, er war der Hüter eines Schatzes, um an den Schatz zu kommen, muss man sich bewähren, muss eine bestimmte Person mitbringen (was zunächst Alvin war und nach dessen Tod Emma) usw. 

Michael Quinn hat hierzu in seinem Buch ‚Early Mormonism and the Magic World View‘ die magischen Hintergründe recherchiert und mit in Palmyra verfügbaren magischen Jahrbüchern und Anleitungen sowie Berichten von Zeitgenossen Joseph Smiths verglichen. Die Parallelen sind offensichtlich und lassen nur zwei Deutungen zu:
(a) Gott hat sich in seinem Wirken exakt an Joseph Smiths abergläubisches Drehbuch gehalten, um ihn da abzuholen, wo er war. Joseph hat dann später diesen magischen Hintergrund abgeschüttelt, wie er sich auch nach und nach von seinen abergläubischen Wegbegleitern getrennt hat. Und dieser magische Hintergrund ist dann in der kirchlichen Geschichtsschreibung weitestgehend verdrängt worden.
(b) Joseph Smiths Geschichte ist ganz natürlich aus seiner Mischung aus magischem Seher- und Schatzsuchertum sowie der ekstatischen religiösen Erweckungsbewegung entstanden als unbewusste Projektion und Verschmelzung der beiden Elemente zu einer ersehnten besonderen Mission für den körperlich gehandicapten und sozial verachteten aber charismatischen und Ideen-aufsaugenden Jungen.