Wunder gibt es immer wieder…



In “The Improbability Principle. Why Coincidences, Miracles, and Rare Events Happen Every Day.” erklärt David J. Hand, warum erstaunliche Ereignisse natürlich erklärbar – ja gewissermaßen alltäglich - sind und nicht notwendigerweise auf übernatürliche Intervention schließen lassen. Dazu führt er fünf Prinzipien der Unwahrscheinlichkeit auf:

1. Das Gesetz der Unausweichbarkeit: Irgendetwas muss passieren. Wenn der Diagnosefehler 1% beträgt, wird die Krankheit fälschlicherweise auch bei Gesunden diagnostiziert und bei einem Teil der Kranken nicht erkannt. Selten wird man Dinge finden, die 100% verlässlich und keinerlei Ausnahmen oder Unschärfen zulassen.

2. Das Gesetz der hohen Zahl: Mit genügend Fällen passieren auch seltene Dinge entsprechend häufig. Die Wahrscheinlichkeit, vom Blitz getroffen zu werden, liegt bei 1:20 Millionen, was bei 7 Milliarden Menschen immerhin 350 Opfer pro Jahr bedeutet.

3. Das Gesetz der Auswahl: Man schaue sich die erstaunlichen Parallelen zwischen den beiden US-Präsidenten Abraham Lincoln und John F. Kennedy an: beide wurden ermordet, beides mal an einem Freitag von hinten in den Kopf. Lincoln im Ford-Theater, Kennedy in einem Ford-Auto. Beide hatten einen Sohn, der starb, während sie im Amt waren. Lincoln wurde 1861 Präsident, Kennedy 1961. Beide hatten Nachfolger namens Johnson, der eine 1808 geboren, der andere 1908. Usw. Wir tendieren dazu, nur die Treffer – in diesem Fall Parallelen – zu betrachten, die unsere Theorie untermauern. Und so lassen sich fast überall Übereinstimmungen erkennen, wenn man lange genug schaut.

4. Das Gesetz des Wahrscheinlichkeitshebels: Gewisse Umstände können die Wahrscheinlichkeit bedeutend beeinflussen. Geht man beispielweise häufig bei Gewittern im Freien spazieren, dürfte die Wahrscheinlichkeit, vom Blitz getroffen zu werden, dramatisch ansteigen.

5. Das Gesetz von nah genug: Wie weit kann man die Bedingungen lockern, um noch überrascht zu sein? Beispielsweise, wenn nicht ein und dieselbe Person, aber Personen in derselben Familie, demselben Ort, mit dem gleichen Namen u.ä., die vom Blitz getroffen wurden.

Grundsätzlich verhalten sich Wahrscheinlichkeiten häufig kontraintuitiv, sprich: wir unterschätzen hohe Wahrscheinlichkeiten und überschätzen niedrige. Der gemeinsame Geburtstag ist ein solcher Fall. Wie viele Menschen braucht es höchstens in einer Gruppe, damit es wahrscheinlicher ist, dass zwei Mitglieder am gleichen Tag Geburtstag haben (Tag und Monat, nicht Jahr) als dass alle an unterschiedlichen Tagen Geburtstag haben? Die Antwort lautet: 23. Erstaunlich niedrig, nicht wahr?

Und kann das wirklich Zufall sein? Am 3. Juli 2000 veröffentlichte die Zeitung The Columbian die Lotteriezahlen der Oregon Lotterie – jedoch bevor diese gezogen wurde, nämlich für die folgende Ziehung. Hintergrund: Vor dem Druck der Zeitung waren die Computer ausgefallen und versehentlich die Lottozahlen zwischen Oregon und Virginia vertauscht worden. Ja, diese seltenen, äußerst unwahrscheinlichen Ereignisse, glückliche oder unglückliche Zusammenspiele geschehen. Und ja, man möchte es gerne einer kosmischen Macht zuschreiben, wenn man plötzlich vom Krebs geheilt, den Tornado unbeschadet überstanden oder die unerwartete Beförderung erhalten oder auch nur die verlegten Schlüssel wiedergefunden hat. Wenn es denn doch einem göttlichen Eingriff zu verdanken war, wäre es denn nicht töricht und undankbar, dies nicht anzuerkennen? Zumindest harmlos? Vielleicht, wenn man es für sich behält.

Denn ist nicht jede Mitteilung Anderen gegenüber – besonders in der Öffentlichkeit, wie beispielsweise anlässlich einer Fast- und Zeugnisversammlung – Ausdruck von Stolz beziehungsweise Arroganz und nicht etwa Dankbarkeit? Denn tief in einem ist man ja durch den Segen überzeugt von seinem besonderen Wert in den Augen Gottes. Schließlich hat er ja extra für mich in den Lauf der Dinge eingegriffen. Und stößt man nicht alle anderen nicht so Glücklichen damit vor den Kopf? So ähnlich wie wenn man Gott für das köstlich zubereitete Mahl dankt, während man die stundenlangen Kochbemühungen der Ehefrau nicht für erwähnenswert hält. Was ist mit all jenen, die nicht von Krebs geheilt, im Tornado alles Hab und Gut oder ihren Job verloren haben? Sollen die sich wirklich als eigentlich gesegneter fühlen, weil sie ja offensichtlich stärker sind, dass sie so sehr geprüft werden. Wie nobel sie sein müssen, wenn Gott ihnen das Bestehen auch dieser Bewährungsprobe zutraut. In Wirklichkeit werden sich doch eher Viele fragen, warum ihre Gebete, ihr Flehen nicht erhört wurde.

Also, wenn du trotz allem der Überzeugung bist, dass Gott dich gesegnet hat und eingeschritten ist, dann sei so gut und sei im Stillen dankbar dafür. Von mir aus preise Gott in deinen persönlichen Gebeten, aber sei so sensibel und behalte es für dich. Und danke mindestens in gleichem Maße – und das gerne lautstark – den Ärzten, den medizinischen Forschern, den Köchen, der Lotteriegesellschaft oder wem auch immer, der unzweifelhaft an deinem Glück beteiligt war.

Und noch eines: Während man also vermeintliche eigene göttliche Segnungen für sich behalten sollte, so sollte man anderen Gläubigen besser erzählen, dass man für sie betet. Denn Experimente haben gezeigt, dass stille Gebete für Dritte nichts bringen, solange diese nichts davon wissen.

Die wissenschaftliche und mormonische Methode



In einfacher Form kann man die wissenschaftliche Methode so beschreiben:
1. Stelle eine Frage.
2. Beobachte und suche nach Anhaltspunkten für eine Antwort.
3. Unterstelle eine Antwort auf Basis der Beobachtungen. Dies nennt man Hypothese.
4. Führe ein Experiment durch, um zu sehen, ob die Hypothese stimmt.
5. Wenn die Ergebnisse die Hypothese unterstützen, wiederhole das Experiment, um zu sehen, ob die Ergebnisse sich bestätigen (und nicht auf Zufälle zurückzuführen sind). Wenn nicht, ändere die Hypothese und mache mit Schritt 4 weiter.
6. Veröffentliche deine Resultate.
7. Andere Wissenschaftler überprüfen deine Resultate.

Besonders wichtig für das Erlangen von wissenschaftlichen Erkenntnissen sind also Experimente. Experimente haben aber nur dann Aussagekraft, wenn die Hypothese mit dem Ergebnis steht oder fällt. Vorab müssen also zwei Aussagen (Nullhypothese und Alternativhypothese) formuliert werden, die sich gegenseitig ausschließen. Wenn die Hypothese aufrecht erhalten werden kann, egal wie das Experiment ausfällt, ist das Experiment wertlos. Ebenso ist das Experiment wertlos, wenn kein kausaler Zusammenhang zwischen der Hypothese und dem Ergebnis des Experiments besteht. Will ich beispielsweise beweisen, dass es in meinem Garten Eichhörnchen gibt, reicht es nicht aus, abends Nüsse auf die Terrasse zu legen, um dann zu schauen, ob diese am nächsten Morgen verschwunden sind. Denn es könnten eine Vielzahl anderer Tiere sein, die für das Verschwinden der Nüsse gesorgt haben. Genauso beweist natürlich das Nicht-Verschwinden von Nüssen nicht, dass es keine Eichhörnchen im Garten gibt. Denn Eichhörnchen müssen ja nicht zwangsweise immer und überall im Garten Nüsse aufsammeln.

Aber Achtung! Die Aussage: `Nicht vorhandene Beweise sind kein Beweis von Nichtvorhandensein`, stimmt nicht immer. Wenn im Herbst verschiedenste im Garten verteilte Haselnuss-Deponien unangetastet bleiben, kann man sich sehr wohl von der Existenz von Eichhörnchen im Garten verabschieden. Natürlich nie absolut, aber doch mit einem hohen Maß an Sicherheit.

Und das bringt uns zur Nullhypothese und Signifikanz. Angeblich ist der Engländer Ronald Fisher vor rund 100 Jahren darauf gekommen, als seine Kollegin eine Tasse Tee ablehnte, weil die Milch zum Schluss hinzugefügt wurde anstatt als erstes. Fisher glaubte nicht, dass sie den Unterschied schmecken könne (seine Nullhypothese), und ersann ein Experiment, indem seine Kollegin acht Tassen mit viermal Milch als erstes und viermal Milch als letztes probieren sollte. Die Wahrscheinlichkeit, zufällig die Tassen korrekt zuzuweisen war 1:70 (1,4%) und somit extrem gering. Daher konnte er seine Nullhypothese widerlegen, als seine Kollegin die Tassen korrekt zuwies und damit bewies, dass die Reihenfolge sehr wohl geschmackliche Auswirkungen hat.

Soweit so gut. Wie sieht es im Gegensatz dazu mit der mormonischen Methode aus? Irgendwie werden ja auch dort so etwas wie Experimente propagiert. Da gibt es die berühmten Passagen in Moroni 10:4 und Maleachi 3:10 oder Matthäus 7:16. Die Frage ist allerdings, ob die Grundprinzipien für aussagekräftige Experimente auch gelten, nämlich:

1. Gegenseitig ausschließende Hypothesen.
2. Keine bessere Erklärung für den beobachteten Effekt.
3. Ausreichende Stichprobe bzw. Ausschluss von Zufällen.

Wer hätte es gedacht? Die mormonische Methode versagt in allen drei Kategorien. Erstens ist die Kirche wahr und Gott segnet einen oder beantwortet Gebete, ganz egal wie das Resultat aussieht. Bekomme ich keine Antwort und keine Bestätigung oder Segen, dann habe ich entweder nicht richtig gebetet oder Gott will mich prüfen oder ähnliches. Das Buch Abraham ist wahr, obwohl es keine Übersetzung der ägyptischen Vorlage ist. Das Buch Mormon ist wahr, auch wenn Teile 1:1 aus dem Buch ‚Late War‘ stammen und die Indianer nicht von Israeliten abstammen. Bestes Beispiel hierfür ist auch diese Ansprache:

‚Das folgende Beispiel stammt aus dem Leben von Elder Jeffrey R. Holland:
„Manchmal führt der einzige Weg von A nach C über B. Da ich im Süden von Utah aufgewachsen war und die Wunder und die Schönheiten der Natur im Süden von Utah und im Norden von Arizona kennengelernt hatte, wollte ich auch meinen Sohn mit den Orten vertraut machen, die ich in seinem Alter gesehen und gemocht hatte. Seine Mutter packte einen kleinen Imbiss für uns ein, und dann fuhren wir mit dem Pick-up seines Großvaters Richtung Süden zu dem Gebiet, das als der ,Arizona Strip‘ bekannt ist. Als wir merkten, dass die Sonne langsam unterging, beschlossen wir, besser wieder nach Hause zu fahren. Dabei stießen wir auf eine Weggabelung, die wir überhaupt nicht wiedererkannten. Ich bat meinen Sohn, darum zu beten, welchen Weg wir einschlagen sollten, und er hatte das starke Gefühl, wir sollten rechts weiterfahren. Ich hatte dasselbe Gefühl, also schlugen wir den rechten Weg ein. Er entpuppte sich als Sackgasse. Wir fuhren etwa fünf-, sechshundert Meter weit, bis es nicht mehr weiterging. Offensichtlich war dies nicht der richtige Weg. Wir drehten um, fuhren zurück und schlugen den anderen Weg ein. Die Straße auf der linken Seite war eindeutig die richtige. Nach einer Weile fragte Matt: ,Papa, warum hatten wir beim Beten das Gefühl, wir sollten nach rechts fahren, obwohl es am Ende nicht der richtige Weg war?‘ Ich entgegnete: ,Ich glaube, der Herr wollte uns so schnell wie möglich und ganz zweifelsfrei wissen lassen, welcher Weg der richtige ist, damit wir uns dann keine Sorgen mehr darum machen müssten. In diesem Fall bedeutete das, dass er uns einen halben Kilometer lang in die falsche Richtung fahren ließ, damit wir dann ohne jeden Zweifel wussten, dass es der falsche Weg war. Denn dadurch erkannten wir ja ganz genau, dass die andere Straße der richtige Weg war.‘

Der Heilige Geist kann uns nach Elder Holland also auch mal in die Irre führen, nur damit wir anschließend sicher sein können, dass die Alternative wirklich die richtige ist. Dieser Logik folgend, könnte Gott uns auch Joseph Smith als wahren Propheten bestätigen, nur damit wir anschließend verstehen, dass jede Form von organisierter Religion nur menschlichen Ursprungs ist. Also ein schönes Beispiel für: egal, wie das Resultat aussieht, es ist immer wahr.

Zu Punkt 2: Natürlich gibt es alternative Erklärungen für geistige Erlebnisse und angebliche Wunder. Selbst ekstatischste emotionale Ausbrüche, Wärme im Herzen oder Kribbeln am ganzen Leib können viele Ursachen haben. Ich habe das mehrmals sehr intensiv erlebt, beispielsweise im MTC als uns Missionaren sogar erklärt wurde, der Heilige Geist sei gerade in Person anwesend.

Punkt 3 hat mit dem Bestätigungs- oder Confirmation Bias zu tun. Dieses Phänomen besagt, dass wir nur die vermeintlichen Treffer berücksichtigen, nicht aber die gegenteiligen Ergebnisse. Wer führt schon eine Statistik darüber, wie häufig Gebete oder Krankensegen sich wunschgemäß auswirken. Und ja, auch Dinge, die selten vorkommen, passieren, beispielsweise Spontanremissionen bei Krebs. Selbst bei dem besonders gefürchteten schwarzen Hautkrebs etwa liegt die Chance einer Spontanbesserung selbst nach der Bildung von Metastasen angeblich bei 1 zu 400. Also sogar außergewöhnlich unwahrscheinliche oder glückliche Ereignisse sind noch lange kein Beweis für göttliche Intervention und schon gar nicht einer speziellen religiösen Gruppierung – im Zweifel natürlich der jeweils eigenen.