Buchempfehlung: Das Ende der Megamaschine

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Fabian Scheidlers Buch hat mich fasziniert. Es hat mir einen neuen Blickwinkel auf die Geschichte der Menschheit eröffnet. So schreibt er:

"Um die Geschichte der Zivilisation, die gegenwärtig den Erdball dominiert, zu verstehen, müssen wir die Geschichte der Wirkungen der Macht erzählen, der Wunden und Verstörungen, die sie in den Menschen und ihrer Imagination hinterlassen hat."

Er geht dabei auch auf die Entwicklung der großen Weltreligionen ein, von der Herausbildung der autoritären mesopotamischen Religionen zur Jesus-Bewegung bis hin zum Christentum. Die Verquickung von Religion und Macht ist dabei von Anbeginn äußerst spannend, so zum Beispiel:

"Trotz aller Unsicherheiten erkennen wir aber sehr deutlich, dass etwas in den prähistorischen Zeugnissen fehlt: Die Darstellung eines herrschenden übermenschlichen Wesens, das wir als »Gott« bezeichnen würden. Die Idee eines herrschenden Gottes erscheint in der Geschichte erst in dem Moment, wo irdische Herrschaft entsteht und sich konsolidiert.[...] Eine Hymne an den sumerischen Gott Enlil aus dem späten 3. Jahrtausend gibt einen Eindruck davon, wie die metaphysische Welt nach dem Vorbild irdischer Herrschaft geformt wurde:

Die Befehle Enlils sind bei weitem die erhabensten, seine Worte sind heilig, sein Spruch unabänderbar. (…) Alle Götter der Erde beugen sich vor Enlil, dem Vater, nieder, der komfortabel auf dem heiligen Thron sitzt. (…) Die Götter treten vor ihn und gehorchen treu seinen Befehlen.

Wie ein irdischer Herrscher, so verfügt auch ein Gott über einen Thron, ein Reich, sein Wille geschieht, er entscheidet über Sein oder Nichtsein, er ist in der Lage, Strafen zu verhängen, Gnade walten zu lassen und Schuld zu vergeben – wobei Schuld hier zunächst ursprünglich im Sinne von Schulden zu verstehen ist. Die Projektion des Hofstaates im Himmel ist so auffällig, dass man sich fragt, ob sie den Zeitgenossen selbst nicht als zu durchschaubar erschienen sein muss, um wirklich ernst genommen zu werden. Tatsächlich deutet vieles darauf hin, dass die herrschaftliche Religion in Mesopotamien zunächst vor allem von den Eliten selbst zelebriert wurde und nicht wirklich populär war, während sich in der breiteren Bevölkerung ältere Traditionen erhielten.[...] Diese Verschiebung des metaphysischen Bezugssystems ist von enormer Tragweite für die kollektive Imagination. An die Stelle von Kräften, die auf Augenhöhe mit den Menschen eine Beziehung eingehen – Ahnen, »Geister«, »Elementarkräfte« und dergleichen –, trat ein pyramidenförmiges System, das auf der Idee von Befehl und Gehorsam und damit von linearer Machtausübung beruhte. Diese Denkweise hat sich durch alle Säkularisierungen und Demokratisierungen hindurch als prägende Vorstellung vom Kosmos bis in die heutige technokratische Zivilisation fortgesetzt.
Wie wir im 7. Kapitel sehen werden, trat im Laufe der Neuzeit an die Stelle des Herrschergottes der herrschende Mensch, der sich durch Wissenschaft und Technik die Erde untertan macht. Charakteristisch sowohl für die theologische als auch die technokratische Version der Allmacht ist die Vorstellung, dass die Natur – auch die menschliche – beherrscht werden muss und kann. Wie der König seinem Untertan und der Gott seinem Geschöpf befiehlt, so gebietet der Ingenieur über die Natur, die sich seinem Willen fügt."